Ratschläge für pflegende Angehörige im Umgang mit Dementen.

Die Demenzkrankheit verstehen und den Pflegealltag leichter gestalten!

 

  Inhaltsverzeichnis

- Fallbeispiel

- Einleitung

- Hauptteil

- Schlussteil

 

    Fallbeispiel

Anfangs bemerkte ich überhaupt nicht, dass mein Mann abbaute. Es fiel mir jedoch auf, dass er ab und zu etwas vergaß. Es irritierte mich manchmal, dass er sich mehrmals am Tag nach der Uhrzeit erkundigte und dass er innerhalb weniger Stunden drei- oder viermal die gleiche Frage stellte. Schlimmer fand ich es noch, dass seine vorherige Unternehmungslust allmählich abnahm. Früher war er immer beschäftigt und aktiv, jetzt wurde er zunehmend passiver. Sein Interesse an anderen Menschen nahm ebenfalls ab, er ließ sich kaum noch dazu bewegen, das Haus zu verlassen. Nur wenn ich ihn fragte, ob er mit zu den Kindern wollte, war er sofort einverstanden. "Es ist das Alter" dachte ich. Schließlich war er Jahrgang 1919. Dann geschah jedoch etwas an seinem 74. Geburtstag, das mich sehr beunruhigte. Die Kinder besuchten uns an diesem Samstagnachmittag, ich weiß noch, dass es ein strahlender Frühlingstag war. Er wusste überhaupt nicht, weshalb die Kinder kamen. Dabei hatten wir morgens noch die Einkäufe gemacht. Aber das Verrückteste kommt noch. Irgendwann vermissten wir ihn. Ich ging daraufhin nach draußen und fand ihn im Garten: In seinen besten Sachen kniete er dort und legte mit Steinplatten einen Gartenweg an. Den Besuch hatte er bereits vergessen. Ich erinnere mich jetzt auch wieder daran, dass meine älteste Tochter schon früher mir gegenüber erwähnt hatte, sie mache sich Sorgen um ihn, und dass ich ihre Besorgnis damals empört abgetan habe. Nach diesem Geburtstag bin ich mit meinem Mann zum Hausarzt gegangen. Dieser hat eine gründliche Untersuchung durchführen lassen: Blutuntersuchung, Hirnfotos usw. Einen Monat später wurde mir das Ergebnis mitgeteilt: "Alzheimersche Krankheit". "Glücklicherweise keine Demenz", war mein erster Gedanke. Als ich jedoch, zu Hause angekommen, sofort meine Tochter anrief, belehrte sie mich eines Besseren.

 

    Einleitung

Ich möchte meine Arbeit damit beginnen, was man unter dem medizinischen Begriff Demenz versteht. Demenz ist von dem lateinischen Wort menz abgeleitet, was so viel wie Geist oder Verstand bedeutet. Den Begriff Demenz kann man auch übersetzen als, „ohne Geist“ sein. Er bezeichnet einen Verfall der geistigen Leistungsfähigkeit, um genauer zu sagen, die Abnahme von Gedächtnisleistung und Denkvermögen. Demenz verläuft in mehreren Stadien, deshalb ist es vor allem am Anfang besonders schwierig, eine beginnende Demenz, zum Beispiel von einer Depression zu unterscheiden. Und allein die Tatsache, dass ein älterer Mensch vergesslich ist, macht noch keine Demenz aus. Denn wer kennt das nicht: Man „verschwitzt“ einen Termin oder verlegt die Autoschlüssel. Treten jedoch Hirnleistungsstörungen in alltäglichen Situationen immer häufiger auf, kann dies auf eine krankhafte Veränderung des Gehirns hinweisen. Neusten Statistiken zufolge sind zur Zeit in Deutschland mehr als 800.000 Senioren an Demenz erkrankt- Tendenz steigend. Prognosen gehen davon aus, dass es im Jahr 2010 bereits zwei Millionen Menschen sein werden. Knapp 90 Prozent der Senioren mit Demenz werden zu Hause von der Ehefrau, der Tochter oder der Schwiegertochter betreut. Doch sehr häufig stehen die Angehörigen vor einem Berg von Problemen. Deshalb möchte ich in meiner Arbeit Tipps und Ratschläge zusammentragen, um Angehörige in solchen Situationen besser beraten zu können, die zu Hause Menschen pflegen, deren Leistungsfähigkeit nachgelassen hat oder weiter abnimmt. Da ich seit einigen Jahren im ambulanten Dienst tätig bin, habe ich schon häufig Familienmitglieder erlebt, die mit der Situation überfordert sind und nicht genau wissen, wie sie mit ihren „veränderten“ Angehörigen besser umgehen können. Dabei geht es mir weniger darum, zu erklären, wie die Krankheit entsteht und ärztlich betreut wird. Das ist Sache des behandelnden Arztes. Vielmehr möchte ich mit meiner Arbeit zu einem besseren Verständnis der Krankheit Demenz beitragen, und auf Erfahrungen und Erkenntnisse eingehen, um die Kranken im Alltag besser begleiten zu können. Durch die Ratschläge, kann der pflegende Laie die Krankheitsprobleme besser kennen lernen. Zunächst unbegreifliche Handlungen des Patienten werden verständlicher und es kann besser und auf die Dementen eingegangen werden : so wird auch der Pflegealltag leichter.  

 

    Das Problem

Es ist ein großer Irrtum zu glauben, dass alle ältere Menschen, die vergesslich sind, grundsätzlich an irgendeiner Form von Demenz leiden müssen. Außerdem wissen die meisten Menschen nicht, dass das Wort Demenz ein Sammelbegriff ist. Es gibt viele Formen der Demenz: ebenso wie bei Krebs, Rheuma oder Asthma. Die häufigste Form ist die Alzheimersche Krankheit. An der Alzheimerschen Krankheit in ihrer Grundform, leiden 50 bis 55 Prozent von allen Menschen mit einer Demenz. Etwa 25 Prozent der Demenzerkrankungen sind auf Durchblutungsstörungen (vaskuläre Störung) zurückzuführen. Die Demenz ist ein Syndrom, dass heißt eine Gruppe von Symptomen oder Beschwerden, die in verschiedenen Kombinationen auftritt. Die auftretenden Symptome äußern sich vor allem im Verhalten der Betroffenen. Durch die Störungen der Gedächtnisfunktionen und der geistigen Leistungsfähigkeit werden die Erkrankten an einer normalen Interaktion mit der Umgebung gehindert und in ihren alltäglichen Aktivitäten beeinträchtigt. Die Demenzerkrankten leiden unter Störungen des Gedächtnisses, der Unfähigkeit , Neues zu lernen, der Unfähigkeit, früher im Langzeitgedächtnis gespeicherte Informationen abzurufen, dem Abbau intellektueller Leistungen, einer zunehmenden Unfähigkeit sich verständlich zu machen sowie der Unfähigkeit, alltägliche Tätigkeiten auszuführen. Begleiterscheinungen dieser Störungen sind: Veränderung der Persönlichkeit, Kontrollverlust über emotionelle Äußerungen sowie zahlreiche Verhaltensauffälligkeiten, wie Aggressivität, „Wandern“, paranoide Ängste, Orientierungslosigkeit, Misstrauen u.a.. 

 

    Prävalenz *

In der Bundesrepublik gibt es keine Gesundheitsstatistik, aus der die genaue Zahl der an einer Demenz erkrankten Personen zu entnehmen wäre. Die bislang vorliegenden Informationen beruhen auf den Ergebnissen von sogenannten Feldstudien. Diese Schätzungen gehen derzeit von 720.000 bis 850.000 Erkrankten mit mittelschwerer und schwerer Demenz aus, wobei Jahr für Jahr etwa 200.000 Neuerkrankungen hinzu kommen (Domdey 1996). Rechnet man jene Betroffenen mit leichteren Formen hinzu, dürfte die Gesamtzahl bei ca. 1,2 Millionen liegen. Demenzen konzentrieren sich insbesondere auf die Gruppe der sehr alten Menschen, wenngleich zunehmend auch jüngere Personen mit dieser Krankheit diagnostiziert werden. Zwar gelten von allen über 65jährigen nur etwa 3 Prozent als demertiell erkrankt, allerdings kann von einer Verdopplung der Prävalenzrate je fünf Lebensjahre ausgegangen werden. Von den über 80jährigen gilt jeder fünfte als demenzkrank, von den über 90jährigen sogar jeder dritte (Häfner, 1993). Die Berliner Altersstudie (BASE) kommt sogar zu noch alarmierenden Befunden: Danach leiden zwei bis drei Prozent der 70jährigen, 10 bis 15 Prozent der 80jährigen und fast 50 Prozent der 90jährigen an dementiellen Erkrankungen.

* Vorherrschen, Überwiegen

 

    Der Verlauf von Demenzen

Die meisten Demenzen beginnen schleichend und zunächst unbemerkt mit leichter Vergesslichkeit. Im Laufe der Zeit schreitet die Krankheit fort – bis zur völligen Unfähigkeit, das eigene Leben zu steuern. Einige andere sind durch einen stufenförmigen Abbau gekennzeichnet, führen aber zu den gleichen Beeinträchtigungen. Diese Prozesse können Jahrzehnte dauern oder schneller verlaufen, das hängt von vielen – zum größten Teil noch unerforschten – Faktoren ab.

 

    Die Krankheit verstehen*

Um die vielen abweichenden Verhaltensweisen – die Symptome der Demenz begreifen zu können, werde ich zuerst etwas über die Funktionsweise des normalen Gedächtnisses sagen. Neuropsychologen haben entdeckt, dass der Mensch, pauschal gesagt, zwei Arten von Gedächtnis hat : ein Kurzzeit- und ein Langzeitgedächtnis. Alles, was wir zu einem bestimmten Zeitpunkt mit unseren Sinnesorganen wahrnehmen, kommt zuerst ins Kurzzeitgedächtnis. Hier bleibt diese Information maximal zwanzig bis dreißig Sekunden. Um sich an Informationen zu einem späteren Zeitpunkt wieder erinnern zu können, müssen diese in das Langzeitzeitgedächtnis übertragen werden. Dieser Transport von Informationen geschieht nicht von selbst. Wenn wir uns bemühen, Informationen einzuprägen, kostet es Anstrengung. Das Einprägen wird mit zunehmenden Alter schwieriger. Kennzeichnend für eine Demenz ist, das sich Betroffene z. B. nicht mehr daran erinnern, was sie am vergangenen Tag gemacht haben. Diese Tatsache lässt sich dadurch erklären, dass: Die Einprägung bei Dementen ist gestört, dadurch gelingt es ihnen nicht mehr, Informationen vom Kurzzeit – ins Langzeitgedächtnis zu transportieren, zumindest nicht mehr so, dass sie sich später wieder daran erinnern können. Durch die Erkenntnis der gestörten Einprägung und das Wissen um die Tatsache, dass Demente sich an neue Informationen mangelhaft erinnern können, versetzen uns in die Lage, viele Erscheinungen der Demenz zu verstehen. Mit dem Fortschreiten der demertiellen Erkrankung tritt eine Veränderung ein. Auch das Langzeitgedächtnis fängt an zu „bröckeln“. Dies geschieht auf eine besondere Weise : Es wird wie ein Wollknäuel abgewickelt. Das heißt : Zuerst verschwinden die Erinnerungen vor Ausbruch der Krankheit, später die des Jahres davor usw. In einem fortgeschrittenen Stadium verfügt ein Dementer deshalb nur noch über die Erinnerungen seiner ersten fünf Lebensjahre. Im letzten Stadium sind sogar diese gelöscht. Dadurch, dass die Erinnerungen im Gedächtnis verschwinden, sind die Betroffenen zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr imstande, alltägliche Tätigkeiten zu verrichten.

 

    Was bleibt erhalten

An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, was bei den Demenz – Patienten, bis zum Endstadium ihrer Krankheit erhalten bleibt: 

  • Gefühlserleben und Gefühlsausdruck
  • Persönlichkeitskern
  • Emotionale Grundbedürfnisse

( * zum Großteil übernommen aus : Buijssen, Senile Demenz, Psychologie Verlags Union, 1994 ) 

 

    Wie sich der Kranke selbst erlebt *

   1. Die vertraute Welt versinkt

Der Betroffene bemerkt seinen Leistungsverlust eher als jeder andere. Zunächst wird er versuchen, seine Vergesslichkeit vor allen zu verbergen – außer durch Merkzettel vielleicht auch durch Zurückhaltung in Gesprächen. Oder er zieht sich von anderen zurück. Solange er noch einen Großteil seiner Fähigkeiten besitzt, wird es ihm auch gelingen, die Schwächen zu überspielen. Natürlich weiß niemand wirklich, wie es in einem solchen Kranken aussieht. Aber man muss sich nur mal vorstellen, dass man morgens aufwacht und sich fragt, wer einen da im Spiegel ansieht, wer der fremde Mensch im anderen Bett ist, in welcher fremden Wohnung man sich befindet... Scham, Angst, Verzweiflung können daraus entstehen, denn der Kranke weiß nicht, welche Antworten er sich auf seine eigenen Fragen geben könnte. Er kann nicht erkennen oder entscheiden: Wer ist das? Welches Verhalten ist für mich jetzt richtig? Das macht ihn unsicher; also versucht er, sein Verhalten zu verstecken, er tarnt sich. Niemand soll merken, wie es in Wahrheit um ihn steht.

   2. Aus Unsicherheit kann Misstrauen werden

Die fehlende Erinnerung ist auch der Schlüssel zu unverständlichem Handeln des Betroffenen. Wer sich nicht darauf besinnen kann, dass er der eigene Ehepartner ist, der z.B. in die Badewanne helfen will, wird den vermeintlich fremden Menschen als Zumutung für seine Intimsphäre empfinden. Wenn der Kranke feststellt, dass plötzlich der Autoschlüssel und auch das Portemonnaie fehlen, wird er an Diebstahl denken aber nicht an aufmerksame Familienmitglieder, die diese Dinge in Verwahrung genommen haben, weil der Betroffene damit offenbar nicht mehr sachgerecht umgehen kann.

   3. Angst vor der eigenen Leistungsfähigkeit

Es ist aber nicht nur die fehlende Erinnerung und die mangelnde Merkfähigkeit, was den Kranken besonders belastet. Ebenso bedrückend für ihn sind Tatsachen, die er nicht sinnvoll entschlüsseln kann. Wenn z.B. die Schwiegertochter zu Besuch ist und sich mit der Ehefrau des Kranken unterhält, kann das die Befürchtung auslösen, dass man die vertraute Bezugsperson wegnehmen könnte. Es kann auch immer wieder vorkommen, das ein Kranker eine völlig zutreffende, ganz klare und logische Bemerkung macht. Daraus ist nicht abzuleiten, dass er alles versteht, sondern nur, dass wir alle nicht wissen, wie viel er von Zeit zu Zeit mitbekommt. Im allgemeinen wird der Betroffene jedoch das verzweifelte Gefühl haben, dass er seine Umwelt nicht mehr begreifen und Vorgänge nicht verstehen kann : „Niemand versteht mich. Warum braucht mich keiner? Wo ist meine Arbeit, wo sind meine Kollegen?“

   4. Verlustängste prägen das Handeln des Betroffenen

Ohne Zweifel ist es für den Kranken sehr, sehr schwer, sich in seiner veränderten Situation zurechtzufinden. Es gibt immer weniger feste Bezugspunkte, an denen er sich wie früher orientieren kann. Oft klappt auch das Zurechtfinden in der langjährigen vertrauten Wohnung nicht mehr, das Telefonieren wird zur Qual, dem Betroffenen kann praktisch der eigene Schlüssel nicht mehr anvertraut werden. All dies sind für ihn Verlust-Situationen, die er auch als solche empfindet, aber seine Gefühle nicht zum Ausdruck bringen kann. Er ist in seiner eigenen Welt gefangen. Für den Betroffenen sind diese Verlust-Situationen aber auch aus einem anderen Grund problematisch ; er spürt genau, dass man alles von ihm fernhält, was Unabhängigkeit oder Freiheit bedeutet. Die Abhängigkeit von anderen, wird als sehr stark empfunden und dadurch nimmt die Angst vor weiteren Verlust noch mehr zu. Der Betroffene versucht, weitere schmerzliche Verlusterfahrungen zu vermeiden (nicht noch weitere Defizite zugeben zu müssen). Er zieht sich in Untätigkeit zurück, wird apathisch, denn so kann er keine Fehler mehr machen und sich nicht blamieren. Oft „klammert“ sich der Demente an eine bestimmte Person und weicht dieser nicht mehr von der Seite, um sicher zu sein, dass sie ihm niemand nimmt. Der Kranke spürt überall, das seine Persönlichkeit von Verlusten geprägt ist. Dieses Gefühl macht ihn mitunter auch aggressiv, weil er sich dagegen stemmt, was er spürt.

   5 . Der Kranke wird innerlich einsam

Auch zeitlich kann der Betroffene sich nicht mehr zurechtfinden. Stunden, Tage, Wochen und Jahre verschwimmen. Die zeitliche Zuordnung selbst von Angehörigen, aber auch der eigenen Person, gelingt nicht mehr. Aufgrund der Reaktionen seiner Umwelt erkennt der Kranke, dass er sich in einer anderen Welt befindet, in die ihm niemand folgt – und folgen kann. Sein Bewusstsein bewegt sich sozusagen „auf Glatteis“. Dies macht den Betroffenen natürlich sehr unsicher, er reagiert gereizt oder gar rabiat.

( * zum Großteil übernommen von www.Hirnliga.com )

 

    Wie man mit Verhaltensauffälligkeiten leichter umgehen kann *

Mit dementen Personen zu leben, zu verkehren und sie zu pflegen, ruft nicht selten viele Fragen hervor, wie z.B.: „Wie soll ich auf emotionale Ausbrüche wie Aggression, Kummer, Misstrauen reagieren?“ „Wie kann ich diese vermeiden?“ Wie kann ich auf normale Art und Weise den Kontakt zum Dementen wahren?“ „ Wie soll ich mich verhalten, damit ich erreichen kann, dass der Demente und ich uns wohlfühlen, wenn wir zusammen sind?“ Auch Pflegepersonen werden mit diesen Fragen konfrontiert. Wenn sie sich diese Fragen nicht selbst stellen, hören sie diese von Familienangehörigen und Betreuern der Betroffenen, die um Hilfe bitten. Aus diesem Grunde habe ich nachstehend einige wichtig Ratschläge zusammengetragen, die nicht nur den Pflegepersonen sondern in erster Linie Familienangehörigen von Nutzen sein können.

    1. Rastlosigkeit

„Lass mich mal durch.“ Trudi geht hastig zur Kommode, nimmt eine Zeitschrift und hält inne, weiß nicht mehr, was sie wollte. Dann geht sie rastlos im Zimmer auf und ab, nimmt dieses und jenes auf, legt es wieder zurück. „was ist los mit Dir, Mutter“, fragt Karin, ihre Tochter. „Was soll schon los sein?“: antwortet die Mutter. Karin ist besorgt, denn so kennt sie ihre sonst immer ausgeglichene Mutter nicht. Schon vor einiger Zeit ist ihr aufgefallen, dass die Mutter sich verändert hat. Sie hat keine Ruhe mehr, ist oft rastlos. Phasen regelrechter Gleichgültigkeit wechseln ab mit Zeiten extremer Unruhe. Dann läuft Trudi in ihrem Zimmer auf und ab, sie kann keine fünf Minuten stillsitzen, Räumt irgendwelche Dinge von einer Ecke in die andere und einen Moment später wieder zurück.

Das Verhalten verstehen

Unter Rastlosigkeit versteht man die Veränderungen im Antrieb. Nicht selten macht sich das mit innerer Unruhe bemerkbar. Es ist häufig ein erstes Zeichen für sich verändernde Prozesse in unserem Gehirn. Die Dementen fühlen sich regelrecht angetrieben, meinen ununterbrochen etwas tun oder erledigen zu müssen. Dabei laufen sie ziellos umher, vergessen, was sie eigentlich wollten, kehren um und beginnen eine andere Tätigkeit.

Was Sie tun können:

  • Geben Sie dem Angehörigen genug Freiraum, damit er sich in seinen Fähigkeiten nicht eingeengt fühlt
  • Versuchen Sie den Angehörigen durch sinnvolle Aufgaben zu beschäftigen, z.B.:

Handtücher falten oder Kartoffeln schälen.

  • Sorgen Sie für eine gleichbleibende, vertraute Umgebung. Veränderungen in der gewohnten Umgebung fördern die innere Unruhe des Dementen, da er sich nicht mehr zurecht findet und glaubt, an einem fremden Ort zu sein.

    2. Schlaflosigkeit

Immer häufiger wird nachts Karin in ihrem Schlaf gestört. Sie hört, wie die Mutter in ihrem Zimmer umherwandert, dass die Schranktür quietscht, das Schubladen geöffnet werden und der Sessel hin und her geschoben wird. Die Mutter ist gerade dabei, sich anzuziehen, weil sie der Ansicht ist, es sei schon Tag. Karin ist besorgt, denn immer öfter findet ihre Mutter nachts keine Ruhe und ist tagsüber sie völlig zerschlagen.

Das Verhalten verstehen

Viele Demenz – Kranke leiden unter Schlafstörungen. Manchmal kehrt sich der Schlaf – Wach – Rhythmus sogar ganz um, so dass die Betroffenen nicht mehr zwischen Tag und Nacht unterscheiden können. Für die pflegenden Angehörigen können die Schlafstörungen des Dementen zu einer großen gesundheitlichen Belastung werden, da die wenigsten Pflegenden den entgangenen Schlaf tagsüber nachholen können.

Was Sie tun können:

  • Halten Sie ihren Angehörigen tagsüber möglichst aktiv, z.B. durch Spaziergänge an der frischen Luft oder durch andere Beschäftigungen, damit er möglichst selten ein kleines „Nickerchen“ hält.
  • Vermeiden Sie alles, was den Schlaf beeinträchtigen könnte, z.B. Kaffee am späten Nachmittag, schwarzer Tee zum Abendbrot oder aufwühlende Fernsehsendungen.
  • Mitunter können auch Medikamente, die Ihr Angehöriger einnimmt, dazu führen, dass er tagsüber müde ist und schläft und deshalb nachts nicht mehr schlafen kann. Darüber sprechen Sie am besten mit dem betreuenden Arzt.

    3. Orientierungsstörungen

„Wir müssen aufräumen, es muss Ordnung sein, wenn Hans nach Hause kommt“ – Trudi ist jetzt 79 Jahre alt, ihr Ehemann Hans ist schon vor 8 Jahren verstorben. Doch daran erinnert sich Trudi nicht mehr. Bis vor kurzem versorgte sich die alte Frau noch selbst. Das geht jetzt nicht mehr, nachdem Nachbarn Trudi nach Hause brachten, weil sie die Orientierung verloren hatte und vom Supermarkt um die Ecke nicht mehr zurückfand. Karin registriert besorgt, dass ihre Mutter die vertraute Umgebung nicht mehr erkennt, sich fremd fühlt und orientierungslos ist.

Das Verhalten verstehen

Mit dem Fortschreiten der Demenz, verlieren der alte Mensch den Bezug zur Realität. Das äußert sich vor allem dadurch, dass er vertraute Personen nicht mehr als solche erkennt oder auf vertrautem Wege nicht mehr nach Hause zurückfindet. Bei diesen auftretenden Symptomen wird es höchste Zeit, zu handeln und den Hausarzt um Hilfe zu bitten.

Was Sie tun können:

  • Versuchen Sie, möglichst viel Routine in den Tag einzubringen, in dem Sie den Tag nach einem festen Zeitplan organisieren. Auf neue Situationen stellen sich Demente ungern ein. Sie erleben diese mit Unsicherheit und reagieren dann verwirrt. Deshalb ist es besser, wenn Sie Veränderungen soweit wie möglich vermeiden.
  • Achten Sie darauf, dass der Angehörige nicht alleine das Haus verlässt.
  • Schaffen Sie eine vertraute Umgebung.

    4. Misstrauen und Feindseligkeit

Trudi, die sich früher immer über Besuch freute, ist abweisend. Mit ihren alten Freundinnen will sie nichts mehr zu tun haben, zum Doppelkopf spielen hat sie keine Lust mehr. „Die sind immer so komisch“, erklärt sie ihrer Tochter. Selbst die Nachbarin, mit der sie früher gerne ein „Schwätzchen“ hielt, hat sie neulich nicht einmal grüßen wollen. „Die schaut immer so hinter mir her“, beklagte sich Trudi.

Das Verhalten verstehen

Demente werden in ihrem Verhalten oft seltsam. Misstrauen ist eng verbunden mit falschen Anschuldigungen, z.B. in Bezug auf das verschwundene Geld. Ein „Erklärungsmoment“ bedeutet für ihn unweigerlich, dass andere ihm Böses wollen und sie das Geld versteckt haben.

Was Sie tun können :

  • Wenn Ihr Angehöriger etwas vermisst, helfen Sie ihm suchen. Das gibt ihm das Gefühl, dass Sie ihn ernst nehmen.
  • Bei nachlassender geistiger Leistungsfähigkeit ist der Demente Besonders für Gefühle offen, d.h. nehmen Sie Ihren Angehörigen öfter mal in den Arm und drücken ihn. Das gibt dem Betroffenem ein sicheres Gefühl und er merkt, dass jemand für ihn da ist.

    5. Aggressionen

„Geh weg! Rühr mich nicht an!“ Trudi hebt die Hand gegen Karin, die ihr bei der Morgentoilette helfen will. Sie hat offensichtlich „einen schlechten Tag“ erwischt. So nennen Karin und ihr Mann solche Tage, an denen Trudi mit Abwehr, mit Wut oder mit Aggressionen auf die gutgemeinten Hilfsangebote reagiert. In letzter Zeit aber mehren sich die „schlechten Tage“. Immer häufiger geht Trudi auf Abwehrstellung, wehrt sich gegen die Handreichungen der Tochter und beschimpft diese. Vergangene Woche hat sie ihr sogar die Kaffeetasse aus der Hand geschlagen. Karin ist hilflos, ja und manchmal wird auch sie nun wütend. Denn so kennt sie ihre Mutter nicht, und einen Grund für ihr aggressives Verhalten kann sie auch nicht erkennen.

Das Verhalten verstehen

Die Aggressionen und Wutausbrüche des alternden Menschen, sind nicht gegen die Person des Pflegenden gerichtet, auch wenn es den Anschein hat. Vielmehr sind sie Ausdruck der fortschreitenden Krankheit. Selbst sanftmütige Menschen können im Verlauf der Erkrankung aggressiv werden. Meist ist Angst der Auslöser, und der Kranke will damit eine vermeintliche Gefahr abwehren. Möglicherweise wird er aber auch wütend, weil er um etwas bitten muss, was er früher selbständig erledigen konnte. Es sind Frustrationserlebnisse für den Betroffenen. So schnell und überraschend wie der Wutanfall kam, kann er auch wieder abklingen. Derartige rasche Stimmungsschwankungen sind typisch für die Demenz – Erkrankung.

Was Sie tun können:

   - Nehmen Sie den Vorfall nicht persönlich und bewahren Sie Ruhe.

   - Dem erregten und feinselig gestimmten Patienten sollten Sie sich stets ruhig und von vorne nähern. Vermeiden    Sie Drohgebärden, die der Patient als Angriff auslegen könnte. Bei Bettlegeriegen sollten Sie sich hinknien, um in    Augenhöhe zu sein.

   - Beruhigen Sie den Angehörigen. Versuchen Sie ihn abzulenken, indem Sie indem vorschlagen, jetzt etwas    anderes zu tun, was er normalerweise gerne tut.

   - Wichtig : Achten Sie auf ihre eigene Sicherheit; Demenz – Kranke können kräftiger sein, als man annimmt.    Versuchen Sie nicht, ihn festzuhalten.

   - Vermeiden Sie Streit, Diskussion oder Provokation, dass könnte den Betroffenen noch aggressiver machen.    Verzichten Sie auf jegliche Form von Bestrafung.

   - Verlassen Sie lieber den Raum, wenn gar nichts mehr hilft.

( * Beispiele zum Großteil übernommen von: www.janssen-cilag.de )  

 

    Die wichtigsten Tipps zum Umgang mit Dementen

 

   - Haben Sie Verständnis dafür, dass der Demente in seiner eigenen Welt lebt. Ermöglichen Sie es ihm, seine    Gewohnheiten beizubehalten.

   - Nehmen Sie die Gefühle des Dementen ernst.

   - Vermeiden Sie sinnlose Diskussionen und unnötigen Streit.

   - Reagieren Sie möglichst gelassen auf Gefühlsausbrüche des Dementen und zeigen Sie Verständnis für seine    Situation.

   - Behandeln Sie den Dementen nicht wie ein unmündiges Kind, bewahren Sei Respekt vor seiner Person und    zeigen Sie ihm das auch.

   - Sorgen Sie für eine überschaubare und gleich bleibende Umgebung, sowie einen beständigen Tagesablauf mit    festen Regeln, an den sich der Betroffene orientieren kann.

   - Sprechen Sie möglichst in kurzen, einfachen Sätzen und unterstreichen Sie das Gesagte mit Mimik, Gesten und    Berührungen.

   - Nutzen Sie die verbleibenden Fähigkeiten und beschäftigen Sie ihn sinnvoll. Beziehen Sie den Dementen so    weit wie möglich in die täglichen Abläufe mit ein, damit er ein Gefühl des Dazugehörens bekommt. Vergessen    Sie nicht, den Betroffenen zu loben. Aber überfordern Sie den Dementen nicht, da dies zu Angst und Zorn führen    könnte.

   - Informieren Sie sich über die Demenzkrankeit. Das wissen gibt Ihnen Sicherheit und bewahrt Sie davor,    Unmögliches von sich selbst zu verlangen.

   - Versuchen Sie nicht, den Betroffenen zu ändern.

   - Vergessen Sie über die Sorge für den Betroffenen nicht sich selbst. Sie müssen mit Ihren Kräften haushalten.

 

    Schlussteil

Wenn die Pflege krank macht

Die Pflege eines Demenz – Patienten ist für die betroffenen Menschen, seien es Familienangehörige oder professionelle Pflegekräfte, mit erheblichen Belastungen verbunden. Nicht selten schlägt sich dies in einer erhöhten Anfälligkeit für seelische und körperliche Erkrankungen bei den pflegenden Personen nieder.

Ich möchte daher im Folgenden ein paar Tipps geben, wie man Stress abbauen und krankmachende Verhaltensweisen bei der Pflege von Dementen vermeiden kann. Nicht zuletzt hilft das wiederum dem Patienten selbst. Denken Sie immer daran, dass alle auftretenden Verhaltensänderungen vom Betroffenen nicht willentlich gesteuert werden, sondern immer Folge seiner Erkrankung sind. Der Patient verhält sich nicht absichtlich so, er kann einfach nicht anders. Sie sollten nicht versuchen, alle Probleme bei der Pflege eines Demenz – Kranken selbst lösen zu wollen. Denn irgendwann werden auch Ihre Kräfte erschöpft sein. Nehmen Sie stattdessen lieber frühzeitig alle Hilfsangebote an, die Ihnen die Pflege erleichtern können. Professionelle Hilfe finden sie zum Beispiel bei Sozial – und Pflegediensten, Ärzten, Tagespflegestationen und Tageskliniken. Auch der Austausch von Erfahrungen mit anderen pflegenden Familienangehörigen kann sehr nützlich für Sie sein.

Wichtig ist: Der Pflegende sollte immer auch seine eigene Gesundheit und sein Wohlbefinden im Auge behalten. Sorgen Sie für regelmäßige Erholungspausen, in denen Sie sich um sich selbst kümmern.

 

Schwester Ines

 

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